Reizdarmsyndrom – wenn der Bauch die Kontrolle übernimmt

Wie Physio- und Ergotherapie beim Reizdarm ganzheitlich unterstützen können

Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung – viele Menschen leiden unter funktionellen Verdauungsstörungen, bei denen keine organische Ursache gefunden wird. Das Reizdarmsyndrom (RDS) zählt zu den häufigsten gastroenterologischen Diagnosen – und ist doch mehr als ein „nervöser Magen“. Denn oft steckt hinter den Symptomen ein komplexes Zusammenspiel aus Verdauung, Nervensystem und psychischer Belastung. Genau hier setzt ein ganzheitlicher Therapieansatz an – mit wertvollen Beiträgen aus Physiotherapie und Ergotherapie.

Was ist das Reizdarmsyndrom?

Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Störung des Verdauungssystems, bei der keine strukturelle oder entzündliche Ursache vorliegt – die Beschwerden jedoch real, belastend und oft chronisch sind.

Typische Symptome:

  • Bauchschmerzen, krampfartige Beschwerden

  • Blähungen, Druckgefühl, Völlegefühl

  • veränderte Stuhlgewohnheiten (Durchfall, Verstopfung oder beides im Wechsel)

  • Gefühl unvollständiger Entleerung

  • häufig auch Erschöpfung, Schlafstörungen, depressive Verstimmung

Wichtig: Reizdarm bedeutet nicht „alles psychisch“ – sondern eine Störung der Darm-Hirn-Achse, bei der das vegetative Nervensystem, die Darmbewegung (Motilität) und die Schmerzverarbeitung gestört sind.

Darm-Hirn-Achse: Wo Stress auf den Bauch schlägt

Das enterische Nervensystem („Bauchhirn“) ist eng mit dem zentralen Nervensystem verbunden. Stress, Angst oder emotionale Belastungen können über die autonome Regulation (v. a. Vagusnerv und Sympathikus) zu Darmbeschwerden führen – ebenso wie gestörte Darmbewegung oder mikrobiologische Ungleichgewichte Symptome im Nervensystem auslösen können.

Ein zentraler Punkt: Beim Reizdarmsyndrom ist nicht das Organ krank, sondern die Regulation gestört.

Physiotherapie – Bewegung, Atmung und Regulation

Auch wenn es auf den ersten Blick ungewöhnlich klingt: Physiotherapie spielt beim Reizdarm eine wichtige Rolle. Ziel ist nicht nur die Mobilisation der Bauchorgane, sondern die Förderung der vegetativen Selbstregulation und eine Beruhigung des überreizten Systems.

Therapeutische Schwerpunkte:

  • viszerale Techniken zur Entlastung von Spannung in Bauch und Zwerchfell

  • Mobilisation von Becken, LWS und Iliosakralgelenken

  • Atemtherapie zur Aktivierung des parasympathischen Systems (Vagus)

  • Medical Yoga und sensomotorische Übungen zur vegetativen Stabilisierung

  • Stressreduktion durch Bewegung und Körperarbeit

Prinzip: Der Darm folgt dem Tonus – und wenn der Körper lernt zu entspannen, beruhigt sich oft auch die Verdauung.

Ergotherapie – Reizmanagement im Alltag

Beim Reizdarmsyndrom geht es nicht nur um Ernährung und Medikamente – sondern auch um Alltagsstrukturen, Stressverarbeitung, Reizreduktion und emotionale Bewältigung. Hier kommt die Ergotherapie ins Spiel.

Ergotherapeutische Ansätze:

  • Pacing und Tagesstrukturierung zur Vermeidung von Überforderung

  • Umgang mit Triggern (z. B. Arbeitsplatzstress, soziale Unsicherheit, unregelmäßige Abläufe)

  • Training von Selbstfürsorge und Achtsamkeit

  • Anleitung zu Entspannungstechniken, z. B. PMR oder Körperreise

  • Ressourcenorientierte Alltagsstrategien und Belastungssteuerung

Ziel: Den Alltag wieder aktiv gestalten – trotz oder gerade mit einem empfindlichen Bauch.

Biopsychosozial verstehen – der Mensch im Mittelpunkt

Bei Hockenholz betrachten wir das Reizdarmsyndrom nicht als Magen-Darm-Problem, sondern als Ausdruck eines gestörten Zusammenspiels zwischen Nervensystem, Bewegung, Körpergefühl und Alltagserleben.

Unser ganzheitlicher Ansatz beinhaltet:

  • Aufklärung über die Darm-Hirn-Achse

  • Förderung vegetativer Balance durch Bewegung, Atmung und Berührung

  • Schulung von Körperwahrnehmung und Selbstregulation

  • Stärkung der Selbstwirksamkeit und psychosozialen Ressourcen

  • Integration von Psychosomatik und funktioneller Körpertherapie

Fazit: Reizdarm ist behandelbar – mit dem richtigen Ansatz

Das Reizdarmsyndrom ist kein Schicksal, sondern eine funktionelle Herausforderung, die sich positiv beeinflussen lässt – wenn wir den Körper wieder in Balance bringen. Physio- und Ergotherapie bieten hier wirkungsvolle Werkzeuge: zur Beruhigung des Nervensystems, zur Stärkung des Körpergefühls und zur Rückgewinnung von Sicherheit und Kontrolle im Alltag.

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