Schmerzmedikamente in der Therapie - Fluch oder Segen?

Wie Schmerzmedikamente die Physio- und Ergotherapie beeinflussen – und wie wir bewusst damit umgehen können

Schmerzmedikamente sind oft fester Bestandteil im Leben von Menschen mit chronischen oder akuten Schmerzen. Sie können kurzfristig Erleichterung schaffen, Lebensqualität zurückgeben und sogar den Einstieg in Bewegung erleichtern. Doch gleichzeitig stellen sie Therapeut*innen vor Herausforderungen: Denn Medikamente wirken nicht nur schmerzlindernd, sondern beeinflussen auch Körperwahrnehmung, Belastbarkeit und das vegetative Nervensystem.

Die gute Nachricht: Mit einer bewussten und abgestimmten Zusammenarbeit von Physio- und Ergotherapie, Patientinnen und Ärztinnen lassen sich Schmerzmedikamente sinnvoll einsetzen – und in vielen Fällen sogar langfristig reduzieren.

Was machen Schmerzmedikamente mit dem Körper?

Schmerzmittel – ob klassische NSAR wie Ibuprofen, zentrale Analgetika wie Opioide oder Muskelrelaxantien – lindern akute Beschwerden, wirken entzündungshemmend und beruhigen das Nervensystem. Doch sie bringen oft auch Nebenwirkungen mit sich:

  • Reduzierte Körperwahrnehmung: Schmerzen werden gedämpft – aber auch die Wahrnehmung von Bewegung, Haltung oder Belastungsgrenzen.

  • Vegetative Veränderungen: Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit oder veränderte Herzfrequenz können auftreten.

  • Maskierung der Ursache: Schmerzmedikamente können Symptome mildern, aber nicht die eigentliche Ursache beheben – dadurch besteht die Gefahr, dass wichtige körperliche Signale übersehen werden.

  • Veränderte Bewegungsmuster: Weniger Schmerz bedeutet oft mehr Bewegungsspielraum, doch nicht zwangsläufig bessere oder schonendere Bewegungen.

Wie beeinflussen Schmerzmedikamente die Physiotherapie?

In der Physiotherapie sind Schmerzmedikamente häufig notwendig, um Bewegung überhaupt möglich zu machen – gerade in akuten Situationen. Doch es gilt, bewusst mit ihrer Wirkung umzugehen:

Therapeutische Schwerpunkte:

  • Wahrnehmungsschulung: Bewusstes Training der Körperwahrnehmung trotz Schmerzmittel, um Schonhaltungen und Fehlbelastungen frühzeitig zu erkennen.

  • Funktionelle Bewegungsanalyse: Aufmerksamkeit auf Qualität und Präzision der Bewegungen, um Überlastungen durch verminderte Schmerzempfindlichkeit zu vermeiden.

  • Regulative Ansätze: Vegetative Begleitsymptome wie Schwindel oder Müdigkeit können mit Atem- und Bewegungstechniken ausgeglichen werden.

  • Reduktion der Medikamenteneinnahme: Langfristiges Ziel ist die Schmerzreduktion durch gezielte, aktive Maßnahmen wie Medical Yoga, sensomotorisches Training und Stabilisationstraining.

Leitsatz: Medikamente als Hilfsmittel sehen – nicht als dauerhafte Lösung.

Ergotherapie – Alltag gestalten trotz Medikamenteneinfluss

Schmerzmedikamente beeinflussen nicht nur den Körper, sondern auch die tägliche Handlungsfähigkeit. In der Ergotherapie geht es darum, den Alltag bewusst zu gestalten und Nebenwirkungen achtsam zu berücksichtigen:

Ergotherapeutische Maßnahmen:

  • Alltagsanalyse und Belastungsmanagement: Bewusster Umgang mit Schmerzmitteln, um Über- oder Unterforderung im Alltag zu vermeiden.

  • Pacing und Energiemanagement: Hilfestellung zur Planung von Pausen, Dosierung von Aktivitäten und bewusster Nutzung medikamentenfreier Phasen.

  • Schulung von Selbstmanagement: Erkennen von Nebenwirkungen, Aufbau von Bewältigungsstrategien und Stärkung der Selbstwirksamkeit trotz oder gerade wegen der Medikamenteneinnahme.

  • Interdisziplinäre Abstimmung: Enge Zusammenarbeit mit ärztlicher Seite, um langfristige Strategien für die Schmerzmedikation zu entwickeln.

Der biopsychosoziale Ansatz – Medikamente als ein Baustein unter vielen

Bei Hockenholz sehen wir Schmerzmedikamente nicht als Problem – sondern als eine therapeutische Möglichkeit, die es bewusst und dosiert einzusetzen gilt. Unsere Haltung ist achtsam, interdisziplinär und ressourcenorientiert.

Wir arbeiten mit:

  • Individueller Aufklärung und Beratung: Verständnis über Wirkungen, Nebenwirkungen und Alternativen der Schmerzmedikation.

  • Vegetativer Regulation: Atemarbeit, Entspannung und Bewegung, um das Nervensystem auch ohne Medikamente zu beruhigen.

  • Bewusstem Einsatz der Körperwahrnehmung: Als Gegengewicht zur „Taubheit“ durch Schmerzmittel bewusst sensorische Reize und achtsame Bewegungserfahrung fördern.

  • Interdisziplinärer Zusammenarbeit: Enge Abstimmung mit behandelnden Ärztinnen, Psychologinnen und Schmerztherapeut*innen.

Fazit: Schmerzmedikamente sind hilfreich – aber nicht ohne bewussten Umgang

Schmerzmedikamente ermöglichen oft den Einstieg in aktive Therapie – und sie können dabei helfen, Bewegung neu zu entdecken. Doch entscheidend ist der bewusste Umgang damit: Schmerzmittel sollen kein dauerhaftes Hilfsmittel bleiben, sondern gezielt eingesetzt und langfristig durch aktive Therapie ergänzt werden.

Mit einem ganzheitlichen Ansatz aus Physiotherapie, Ergotherapie und klarer Kommunikation können Patient*innen langfristig lernen, Medikamente sparsam, bewusst und wirksam einzusetzen – für ein Leben mit weniger Schmerz und mehr aktiver Selbstbestimmung.

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