Schmerz & Gelenk-Rheuma – Wenn Bewegung Angst macht
Schmerz & Gelenk-Rheuma – Wenn Bewegung Angst macht
Ein Blogartikel für Therapeut*innen, die chronisch-entzündliche Prozesse ganzheitlich verstehen wollen
Von Florian Hockenholz, Physiotherapeut, Osteopath & Yogalehrer
Gelenkrheuma – medizinisch meist als rheumatoide Arthritis bezeichnet – ist mehr als „nur“ eine Entzündung der Gelenke. Es ist eine Autoimmunerkrankung, die das gesamte System betrifft: Stoffwechsel, Immunsystem, Psyche und Lebensgefühl.
Der Schmerz ist dabei allgegenwärtig: morgens steif, tagsüber ziehend, nachts pochend. Er wandert, flammt auf, beruhigt sich wieder – und hinterlässt mit der Zeit nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Spuren.
Die stille Entzündung – ein lauter Schmerz
Rheumatoide Arthritis gehört zu den chronisch-entzündlichen Systemerkrankungen. Das Immunsystem richtet sich fälschlicherweise gegen körpereigenes Gewebe, vor allem gegen die Gelenkinnenhaut. Es kommt zu Entzündungen, Gelenkergüssen, Schwellungen – und langfristig zu Veränderungen der Gelenkstruktur.
Doch auch in scheinbar „ruhigen“ Phasen bleibt oft ein Schmerz zurück, der sich schwer einordnen lässt: mal dumpf, mal ziehend, mal brennend. Das liegt unter anderem an zentralen Sensibilisierungsprozessen – das Nervensystem hat gelernt, den Schmerz dauerhaft „mitzusenden“, auch wenn die Entzündung vorüber ist.
Therapeutische Herausforderung: Aktivieren – aber wie?
Viele Patient*innen mit Rheuma entwickeln Angst vor Bewegung: zu groß ist die Sorge, einen Schub auszulösen oder das Gelenk weiter zu schädigen. Die Folge ist Schonung – die jedoch oft zu noch mehr Schmerz, Instabilität und Erschöpfung führt.
Hier liegt unsere Aufgabe als Therapeut*innen:
Individuell dosierte Aktivierung statt Pauschalübungen
Gezielte Mobilisation – im sicheren, nicht-provokativen Bereich
Schulung von Gelenkschutz, Körperwahrnehmung und Alltagsökonomie
Verständnis für Schmerzmechanismen – ohne Verharmlosung oder Dramatisierung
Aufklärung über entzündungshemmende Selbstfürsorge und Lebensstilfaktoren
Rheuma ist mehr als ein orthopädisches Problem
Rheuma betrifft auch den Schlaf, die Psyche, den Darm, das Immunsystem, das vegetative Gleichgewicht. Viele Betroffene kämpfen mit ständiger Erschöpfung, depressiven Verstimmungen, einer diffusen Reizempfindlichkeit.
Deshalb braucht es mehr als eine Schiene oder ein Übungsblatt. Es braucht einen ganzheitlichen Blick – und ein Nervensystem, das sich sicher fühlen darf.
Was wirkt?
Achtsame Bewegung mit klarer Gelenkführung und variabler Belastung
Faszien- und Atemarbeit, um vegetative Regulation zu fördern
Berührungsbasierte Therapien, die Sicherheit und Schmerzlinderung vermitteln
Edukation, die Zusammenhänge erklärt und Selbstwirksamkeit stärkt
Fazit:
Therapie bei Gelenkrheuma bedeutet nicht, „trotz Schmerz“ zu trainieren – sondern mit dem Schmerz zu arbeiten. Aufmerksam, respektvoll, stabilisierend. So wird Bewegung wieder zu etwas, das stärkt – und nicht beängstigt.
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