Selbstwirksamkeit in der Schmerztherapie
Warum chronischer Schmerz nicht nur Behandlung, sondern Beziehung braucht
Chronische Schmerzen verändern mehr als nur den Körper – sie greifen tief in das Erleben, das Verhalten und die Selbstwahrnehmung der Betroffenen ein. Je länger der Schmerz anhält, desto mehr schrumpft oft das Vertrauen in den eigenen Körper, in die Zukunft und in das eigene Handeln. Genau hier kommt ein zentraler Begriff ins Spiel, der in der modernen Schmerztherapie eine Schlüsselrolle spielt: Selbstwirksamkeit.
Was bedeutet das? Selbstwirksamkeit meint die innere Überzeugung, durch eigenes Verhalten eine Wirkung erzielen zu können. Und: Sie ist kein Luxus, sondern ein therapeutisches Ziel – besonders bei Patient*innen mit chronischen Schmerzen.
Warum Selbstwirksamkeit so entscheidend ist
Patient*innen mit chronischem Schmerz erleben häufig Kontrollverlust:
Der Körper tut weh, obwohl man sich „doch schonen“ wollte.
Die Ursache bleibt oft unklar oder widersprüchlich.
Das soziale Umfeld reagiert mit Unverständnis.
Diagnosen und Therapien liefern selten schnelle Lösungen.
Die Folge: Passivität, Rückzug, Hilflosigkeit – der ideale Nährboden für Schmerzchronifizierung.
Selbstwirksamkeit durchbricht diesen Kreislauf.
Denn wer wieder spürt, dass das eigene Tun zählt, bewegt sich anders. Atmet anders. Lebt anders.
Was bedeutet das konkret für Physio- und Ergotherapie?
Therapeut*innen sind weit mehr als nur Technikanwender. Sie sind oft die ersten, die Menschen mit chronischen Schmerzen wieder in Bewegung, ins Vertrauen und in die Handlung bringen können.
Physiotherapie – Bewegung als Selbstermächtigung
Individuelle Belastung statt Standardprogramme: Therapie, die mit dem Körper spricht, nicht über ihn hinweg.
Bewegungserfahrungen schaffen: Erfolg spürbar machen – auch im Kleinen.
(„Heute ging die Treppe besser.“ zählt mehr als ein ROM-Wert.)Biofeedback, sensomotorisches Training, Medical Yoga: Aktivierende Formate, die Körpergefühl und Handlung verbinden.
Aufklärung als Kraftquelle: Wenn Menschen verstehen, wie Schmerz funktioniert, fühlen sie sich nicht mehr ausgeliefert.
Bewegung ist nicht nur Mobilisation – sie ist eine Einladung, dem Körper wieder zu vertrauen.
Ergotherapie – Alltag als Übungsfeld für Selbstwirksamkeit
Aktivitäten analysieren, modulieren, ermöglichen: Ein angepasstes Haushaltsritual kann mehr bewirken als zehn passive Maßnahmen.
Pacing und Reizmanagement: Nicht "alles oder nichts", sondern dosiert, reflektiert, selbstbestimmt.
Ressourcenorientiertes Arbeiten: Was kann ich heute? Was macht mir Freude? Was kann ich verändern?
Gestaltung von Routinen, Ritualen, Lebensumfeld: Alltagskompetenz ist Kompetenz – auch gegen Schmerz.
Jeder gelungene Handgriff im Alltag stärkt das Gefühl: „Ich kann etwas tun.“
Therapeutische Haltung: Wirksam begleiten statt reparieren
Therapie bedeutet nicht, Schmerz zu „beseitigen“. Therapie bedeutet, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen wieder handeln, spüren und gestalten dürfen – trotz Schmerz.
Das braucht:
Zugewandte Kommunikation: Fragen statt Anweisungen. Ermutigung statt Bewertung.
Gemeinsame Zielentwicklung: Nicht „wir wollen…“, sondern „was willst DU (wieder) können?“
Vertrauen in die Kompetenz der Patient*innen: Nicht „ich mach das“, sondern „wir probieren das gemeinsam“.
Selbstwirksamkeit beginnt nicht beim Muskel – sondern bei der therapeutischen Beziehung.
Fazit:
Selbstwirksamkeit ist keine Methode – sie ist eine Haltung
Wer chronischen Schmerz nachhaltig begleiten will, braucht mehr als Handgriffe und Übungsprogramme. Es geht darum, die Handlungskompetenz der Patient*innen zurückzuholen – aus der Ohnmacht in die Möglichkeit, aus der Passivität in die Präsenz.
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