Meditation bei Depressionen – Stille, die nicht überfordert

Ein Blogartikel für Therapeut*innen, Yogalehrende und Interessierte, die Achtsamkeit therapeutisch fundiert einsetzen möchten
Von Florian Hockenholz, Physiotherapeut, Osteopath & Yogalehrer

Depression ist kein Mangel an Motivation – sondern eine Störung der Regulation

Depression ist nicht einfach „Traurigkeit“, „Faulheit“ oder „Gedankenkarussell“. Sie ist eine tiefgreifende Veränderung der Stimmung, der Antriebslage, der Körperwahrnehmung und des inneren Erlebens. Oft begleitet von Schlafstörungen, Erschöpfung, Konzentrationsproblemen, Schmerz oder innerer Leere.

Der Körper ist da – aber er fühlt sich oft fremd, schwer, dumpf an.
Der Kopf ist wach – aber in sich gefangen.
Der Atem fließt – aber er wird nicht gespürt.

Meditation kann hier ein wirkungsvolles Werkzeug sein – wenn sie richtig eingesetzt wird.

Was Meditation nicht leisten kann

Meditation ist kein schneller Weg aus der Depression. Sie ersetzt keine Psychotherapie, keine medizinische Behandlung, keine soziale Unterstützung. Sie ist auch kein „Denke-positiv“-Mantra oder ein Rückzug ins Nichts. Und sie funktioniert nicht bei jedem und nicht zu jedem Zeitpunkt.

Denn: Stille kann für depressive Menschen bedrohlich sein. Sie kann innere Leere verstärken, Grübelprozesse anfeuern oder Schuldgefühle intensivieren.

Deshalb gilt: Meditation ist nicht immer die Lösung – aber oft ein Zugang. Und dieser Zugang muss achtsam geöffnet und begleitet werden.

Was Meditation bewirken kann

Wenn Meditation körperlich, ressourcenorientiert und nicht leistungsbezogen angeleitet wird, kann sie ein sicherer Ort sein. Sie kann helfen, …

  • … den inneren Autopiloten zu unterbrechen

  • … das Nervensystem in kleinen Schritten zu beruhigen

  • … Körperempfindungen wieder zuzulassen

  • … Gedankenschleifen mit Abstand zu betrachten

  • … aus dem „Ich bin die Depression“ ein „Ich erlebe gerade eine Depression“ zu machen

Körperzentrierte Achtsamkeit statt „Denke positiv“

Der Fokus liegt nicht auf Gedanken – sondern auf dem, was da ist:
dem Atem, dem Kontakt zur Unterlage, dem Geräusch im Raum, der Wärme der Kleidung.

Diese Formen der Meditation – etwa Bodyscan, Atembeobachtung oder achtsames Gehen – holen Betroffene zurück ins Spüren, ohne sie zu überfordern.

Ziel ist nicht das Verschwinden der Symptome – sondern der Kontakt zum Selbst trotz Symptom.

Warum Meditation wirkt – neurophysiologisch betrachtet

Studien zeigen, dass achtsamkeitsbasierte Verfahren wie MBSR oder MBCT …

  • die Aktivität im präfrontalen Kortex (Zentrum für Emotionsregulation) fördern

  • die Überaktivierung in der Amygdala (Zentrum für Angst & Stress) dämpfen

  • das Default Mode Network (zuständig für Grübeln & Selbstbewertung) modulieren

  • das Schmerzempfinden bei somatoformen Beschwerden positiv beeinflussen

Kurz: Meditation verändert die Verarbeitung – nicht die Welt, aber den Blick auf sie.

In der Praxis: Kleine Impulse – große Wirkung

In der therapeutischen oder begleitenden Anwendung sollte Meditation bei Depressionen:

  • kurz, klar und körperbezogen sein

  • nicht wertend, nicht „strebend“

  • begleitet oder angeleitet – nicht als Rückzug ins Alleinsein

  • optional sein – nie als Pflicht, sondern als Einladung

Beispielhafte Praxisformate:

  • 3 Minuten Atembeobachtung mit Berührung (z. B. Hand auf dem Bauch)

  • Achtsames Gehen in Stille – aber mit Rhythmus, nicht ziellos

  • Bodyscan bis zur Mitte des Körpers – nicht bis in die „leere“ Peripherie

  • Meditation mit Klang oder angeleitetem Text statt vollständiger Stille

Fazit

Meditation bei Depressionen ist kein Weg nach außen – sondern eine sanfte Rückverbindung nach innen.
Nicht als Technik zur Selbstoptimierung, sondern als Möglichkeit zur Selbstwahrnehmung.

Therapeutisch genutzt, kann Meditation ein Fenster öffnen – dorthin, wo der Mensch sich selbst nicht mehr verloren, sondern wieder spürbar erlebt.
Und manchmal beginnt genau dort der Weg zurück.

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